Magazin
Seit Levin Liam 2020 erstmals auf dem Radar der hiesigen Musikszene erschien, gilt er als Breakout-Künstler einer neuen Generation – und eines neuen Sounds Made in Germany. Konzerte, Festivals, Fernsehauftritte, Magazincover: Zur Ruhe kommen ist seither keine Option. Für diese Ausgabe schlüpft er gleich in seine nächste Rolle – als erster Guest Editor des KaDeWe-Magazins. Dafür liefert er uns Einblicke in seine Arbeit, verrät uns, was auf seinem Backstage Rider nicht fehlen darf, und schließt das Magazin mit einer persönlichen Kolumne.
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1999 in Berlin geboren, zieht Levin Liam im Alter von zwei Jahren mit seinen Eltern nach Hamburg. Die Hansestadt ist bis heute sein Zuhause, in Berlin hat er vor allem berufliche Anknüpfungspunkte. Von 2018 bis 2021 studiert er Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und ist in unterschiedlichen TV- und Filmproduktionen zu sehen. Seine prominenteste Rolle ist die des Hans im Kinofilm Wolfskinder, treue Tatort-Fans werden ihn auch als Torben Falke wiedererkennen, den Sohn des Hamburger Hauptkommissars Thorsten Falke, gespielt von Wotan Wilke Möhring. Die Leidenschaft für Musik hat Levin Liam immer begleitet – als Kind lernte er Geige und Klavier und produzierte schon eigene Songs im Teenageralter – und auch nie ganz losgelassen. Befeuert durch den Stillstand der Pandemie, mit ausfallenden Kursen und ausbleibenden Jobs, veröffentlicht er seine erste Single auf Englisch namens Either Way. Zwei Jahre später folgt der Release seines ersten deutschsprachigen Songs Keine Geduld – und dann geht auf einmal alles Schlag auf Schlag. Im selben Jahr kommen seine zwei ersten EPs heraus, Levin Liam Leaks 2022 sowie Vergiss mich nicht zu schnell, ein Collab-Projekt mit dem Produzenten Cato. Aus Englisch wurde Deutsch, und so soll es auch vorerst bleiben. 2023 folgen schon die nächste EP und die erste Solo-Tour, 2024 dann das Debütalbum Gesicht verlieren, und Anfang des Jahres wieder vier neue Tracks. In der gesamten Zeit arbeitet er mit anderen bekannten Künstler*innen zusammen, etwa Trettmann, Ufo361 und Paula Hartmann. Sein Auftritt in Jan Böhmermanns ZDF Magazin Royale brachte ihm weitreichende nationale Aufmerksamkeit.
Es wäre wohl nicht übertrieben zu vermuten, dass Levin Liam weiß, wie man das Momentum für sich nutzt. Seine Musik trägt derweil seine ganz eigene Handschrift, die sich – und das liest man immer wieder – nur schwer in ein Genre einordnen lässt. Ist es Rap? Ist es Pop? Ist es Indie? Eine Mischung aus allem? So richtig kategorisieren lässt sie sich nicht. Denn Levin Liam schreibt und produziert Songs, in die man sich entweder völlig fallen lassen kann oder die einen massiv hochpushen. Er schwankt wie selbstverständlich zwischen sanfter Melancholie und singt mit einer gewissen Schwere darüber, wie sehr ihn eine Trennung schmerzt, seine mentale Gesundheit beschäftigt oder dass er später mal ein guter Vater sein will. Dann wieder rappt er auf schnelle Beats mit ordentlich Selbstbewusstsein darüber, wie ihn andere Musiker in der Branche kopieren, macht sich über deren Social-Media-Auftritt lustig und vergleicht sich selbst mit den Bee Gees. Nicht nur wegen des vielschichtigen Sounds, sondern auch wegen des wechselnden Inhalts lässt sich seine Musik in kein festes Schema pressen. Levin Liam, so scheint es, bewegt sich immer in einem Raum dazwischen. Einem Raum, den er sich selbst so gestaltet, wie es ihm am besten gefällt. Er mache in erster Linie Musik für sich selbst, sagt er. Und die changiert nun mal zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Mit uns hat er über die Musik seiner Kindheit gesprochen, lässt seine große Tour Revue passieren, sinniert über Vorbildfunktionen und seine Beziehung zu Mode.
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Kannst du dich an deine erste CD erinnern?
Da muss ich mal überlegen, aber ich glaube, meine allererste eigene CD war Lady Gaga, The Fame. Das finde ich bis heute ein krasses Album. Ich hatte als Kind auch eine Beatles-Phase. Das ist für mich nach wie vor eine der wichtigsten Bands.
Von den Beatles zu Lady Gaga – mit welcher Musik bist du sonst noch aufgewachsen?
Ich habe viel Hip-Hop gehört, aber auch gerne klassische Musik. Ich habe ja auch früh gelernt, Geige zu spielen. Meine musikalische Prägung war grundsätzlich sehr durchmischt.
Und wie sieht es heute aus? Was hörst du und wer inspiriert dich?
Es gibt sehr viele und ich tue mich immer schwer, mich auf konkrete Namen fest-
zulegen. In jüngster Vergangenheit fällt mir zum Beispiel Mk.gee mit seinem letzten Album ein, das fand ich sehr spannend und innovativ. Young Thug ist eine große Inspirationsquelle für mich, aber auch Kanye West, weil er für mich der prägendste Künstler dieser Generation ist, speziell in Bezug auf Produktion und Diskografie.
Wenn wir schon mal darüber reden: Sollte man Werk und Künstler trennen?
Das ist denke ich eine individuelle Ermessensfrage. Für mich hängt es von vielen verschiedenen Faktoren ab, und am Ende liegt die Entscheidung bei einem selbst. Viele Künstler in der Geschichte der Menschheit hatten auf irgendeine Weise einen Schaden oder metaphorische Leichen im Keller. Je länger so etwas zurückliegt, desto einfacher ist es, das zu abstrahieren. Wenn die Person aber noch lebt und weiterhin Kunst produziert, ist es deutlich schwieriger, beides losgelöst voneinander zu sehen. Im Fall von Kanye sind es hauptsächlich die alten Sachen, die mich ansprechen, viele von den ganz neuen Songs sind nicht so meins. Ich kann aber voll verstehen, wenn jemand sich gar nichts mehr von ihm anhören will.
Du hast jetzt zwei US-amerikanische Musiker genannt. Was ist mit deutschen Künstler*innen?
Alles, was aktuell in der Deutschrap- und New-Wave-Szene passiert, finde ich voll spannend. Ich feier zum Beispiel Leute wie Yungpalo oder Zackavelli. Man muss nur richtig hingucken, dann sieht man, dass zwischen all dem exzessiven Output auch richtig coole Künstler sind. Es gibt aber auch einiges, was ich scheiße oder langweilig finde, vor allem im deutschen Mainstream.
Dann lass uns doch lieber über deine eigene Musik sprechen. Über die wird ja oft gesagt, dass sie kein festes Genre bedient. Wie würdest du sie denn selbst einordnen?
Die Klangästhetik bewegt sich schon zwischen mehreren Genres und Nischen. Es gibt viele Hip-Hop-Einflüsse, aber eben auch aus Pop, R’n’B oder Indie und je nach Song etwas mehr in die eine oder andere Richtung. Inhaltlich versuche ich in meinen Texten ehrlich zu sein und offen über Gefühle und Gedanken zu sprechen. Aber dann auch wieder eine gewisse Attitude reinzubringen, die man so zum Beispiel in der Indie-Popmusik nicht wiederfindet.
Siehst du diese hybride Herangehensweise eher als Vor- oder Nachteil?
Ich habe schon oft überlegt, meine Kategorie namentlich klarer einzuordnen. Die Erfahrung zeigt, dass es den Leuten sehr hilft, dich irgendwo einordnen zu können. Als ich mit den deutschen Songs angefangen habe, war diese Grenzwanderung zwischen den Genres, diese Attitude aus dem Hip-Hop, aber etwas gefühlsechter, noch recht neu. Dann wurde das immer beliebter. Mittlerweile wird in Songs ja fast schon damit kokettiert, dass man auch traurig und deep sein kann. Die Originalität dieser damaligen Nische wird damit total verwässert. Insofern hätte es mir nichts ausgemacht, schon zu Beginn einen Namen oder Begriff dafür zu haben, zumal ich mich zu den Initiatoren dieser Welle zähle. Mir ist aber bislang aus mangelnder Kreativität noch nichts Gutes oder Passendes eingefallen.
Apropos Gefühle: In vielen deiner Songs geht es um die Liebe, ihre schönen sowie ihre Schattenseiten. Warum ist sie in deiner Musik so präsent?
Für mich sind grundsätzlich die schweren oder bewegenden Themen die interes-
santesten. Es sind die großen Fragen des Lebens, die am meisten in mir auslösen und im Zweifel auch in denen, die meine Musik konsumieren. Die Liebe zu sich, jemand anderem oder einer Sache ist einfach etwas, mit dem ich mich viel beschäftige. Und diese Nostalgie, die immer auch mitschwingt, ist zwar nicht das einzige Gefühl, was ich in mir trage, aber es bewegt mich musikalisch am meisten. Ich schreibe meine Songs alleine, deswegen steckt auch immer ein sehr persönlicher Bezug in den Texten.
Du hast dieses Jahr deine bisher größte Solotour gespielt. Wie war das für dich?
Die erste Tour hatte mehr Club-Vibe, während wir dieses Mal mittelgroße Hallen gespielt haben, mit größerer Band und breiterem Bühnenbild. Es war insgesamt eine richtig schöne Zeit. Eine eigene Tour zu spielen ist etwas sehr Besonderes und Intensives. Danach brauche ich immer ein paar Tage, um wieder ins Leben zu finden. Drei Wochen lang erlebt man die volle Dopamin-Dröhnung und Reizüberflutung, und danach soll man wieder in den Alltag finden und dieselben Sachen machen wie vorher.
Wie verbringst du deine Zeit privat, abseits von Musik?
Oft bin ich mit meinen Freunden unterwegs. Viele davon habe ich schon seit der Kindheit und wir machen eigentlich den ganz normalen Kram, den ich auch schon früher nach der Schule gemacht habe. Da meine Familie auch in Hamburg lebt,
verbringe ich so viel Zeit wie möglich mit ihr. Außerdem reise ich gerne. Letztes Jahr war ich zum ersten Mal in den USA und ich will so schnell es geht nach Japan.
Du bist mit zwei Brüdern aufgewachsen. Ist es dir wichtig, ein gutes Vorbild für sie zu sein?
Ich habe einen älteren sowie einen zehn Jahre jüngeren Bruder. Natürlich freue ich mich, wenn ich ein Vorbild bin, aber ich weiß nicht, ob irgendjemand dieser Aufgabe so ganz gerecht werden kann. Ich gebe natürlich trotzdem mein Bestes. Mein kleiner Bruder zum Beispiel war einer der ersten Menschen überhaupt, der meine Musik gehört und daran Gefallen gefunden hat.
Ein individueller Kleidungsstil gehört zum Künstlerimage dazu. Wie stehst du zum Thema Mode?
Ich interessiere mich auf jeden Fall dafür und hatte schon immer einen bestimmten Geschmack und eine klare Vorstellung davon, wie ich mich anziehen will. Auch wenn ich jetzt nicht die Person bin, die dir die gesamte Geschichte eines Designers chronologisch wiedergeben kann, sondern mich insofern damit beschäftige, als es mir einfach Spaß macht. Auch dadurch, dass ich jetzt etwas mehr finanzielle Mittel für diese Dinge habe, finde ich immer mehr Gefallen daran, meinen persönlichen Stil weiterzuentwickeln. Ich überlege auch gerne von Projekt zu Projekt, mit welchem Look man arbeiten und in welche Stilrichtung es gehen könnte. Mode ist definitiv ein Thema, mit dem ich mich noch tiefer auseinandersetzen will.
Was steht denn für die nahe Zukunft in deinem Terminkalender?
Gerade arbeite ich an meinem nächsten Album, gehe da sehr akribisch heran und nehme mir viel Zeit dafür. In der momentanen Phase des Prozesses wird nochmal eine produktive und künstlerisch wertvolle Energie freigelegt. Ich bin echt aufgeregt und freue mich auf das Projekt. Bis zum Abschluss geht es also auf Hochtouren weiter.
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